Titelfoto: Johann Husser
Getreu dem Motto „Je oller, je doller!“ setzt sich das Architekturbüro Alexander Poetzsch Architekturen für einen Perspektivwechsel in der Wahrnehmung ein: Der Umgang mit Bestand soll nicht mehr als Einschränkung, sondern als Chance wahrgenommen werden. Wie diese Philosophie umgesetzt werden kann, zeigte das Team am Beispiel der Sanierung und des Umbaus einer ehemaligen Schokoladenfabrik zu einem Familienzentrum des Deutschen Kinderschutzbund e. V. Ortsverband Dresden, in dem sich nun Büroflächen und betreute Wohneinheiten für Kinder und Jugendliche befinden.
Die ehemalige Fabrik in der Dresdner Johannstadt hat eine lange Geschichte und schon viele Funktionen erfüllt. Ab 1921 wurde hier von der Firma Bruno Clauß Schokolade und Marzipan produziert sowie Kaffee geröstet. Ab den 1950er-Jahren wurde die Fabrik von dem VEB Karosseriewerk und dem anliegenden Plattenwerk zur Herstellung von Autoteilen und dem Gießen von Betonplatten für Plattenbauten genutzt.
Seit den 1990er-Jahren befinden sich in einem Teil des Gebäudes Ateliers, Proberäume und ein Tonstudio. Der andere Teil wurde von 1999 bis 2000 vom Deutschen Kinderschutzbund e. V. als Jugendklub genutzt und stand anschließend leer. Nach einem Umbau ist im Juli 2023 das Integrative Familienzentrum des Deutschen Kinderschutzbund e. V. Ortsverband Dresden eingezogen. Im Gebäude befinden sich jetzt eine Beratungsstelle, Verwaltungs- und Konferenzräume, eine therapeutische Wohngemeinschaft, ein Jugendklub, eine Werkstatt und eine kleine Bibliothek. An der Fassade befinden sich Nistkästen für Vögel und Fledermäuse.
Die Gestaltung des Gebäudes zeigt die verschiedenen Zeitschichten und Nutzungen. Vorgefundene Strukturen wurden so weit wie möglich erhalten, punktuell erweitert und aufgestockt. Die Fabrikhalle ist von ihrem baufälligen Dach befreit worden und bildet jetzt einen Innenhof unter freiem Himmel. Der Schornstein ist als charakteristisches Merkmal des Areals erhalten geblieben.
Das alte Mauerwerk und die neuen Baustoffe sind an vielen Stellen unverputzt oder geschlämmt, damit man die alten Gebäudeteile von den neuen unterscheiden kann. Durch diese Art des Umbaus bleibt der Prozess des Wandels sichtbar und nachvollziehbar. Die neuen Nutzerinnen und Nutzer des Gebäudes können dadurch viel über die Geschichte des Gebäudes und über Architektur lernen.
Durch den Erhalt von einzelnen Gebäudeteilen, Mauerwerk und Fundamenten konnte ein nachhaltiger Umgang mit Rohstoffen bei der Sanierung und Erweiterung dieses Gebäudes sowie kosteneffizientes Bauen gewährleistet werden.
Als Begegnungsort für die Menschen des Stadtteils, als geschützter Raum für Kinder und Jugendliche sowie deren Familien und als Wirkungsstätte des Kinderschutzbundes kann die Geschichte des Gebäudes nun weitergeschrieben werden.
Projekt: |
Projektname: Integratives Familienzentrum des Deutschen Kinderschutzbund e. V. |
Architektur, Interieur, Außengestaltung: ALEXANDER POETZSCH ARCHITEKTUREN |
Bauherr: Deutscher Kinderschutzbund e. V. Ortsverband Dresden |
Fotografie: Johann Husser |
Planungsjahr: 2019 - 2023 |
Ausführungsjahr: 2022 - 2023 |
Gebäudegröße: BGF 1947,58 m² |
Stockwerke: 4 |
Grundstücksgröße: 1494,14 m² |
Auftragnehmer: |
Fenster, Sonnenschutz (Zippscreens) und Absturzsicherung: KFS-Bauelemente GmbH |
Galerie
(Fotos: Johann Husser)